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Legen Sie sich eine dicke Haut zu!
Wie Sie Gefühle empfinden können, ohne in Ihnen zu versinken
„Denn dickes Fell, das hatt’ ich früher nicht – ich hab’s mir wachsen lassen.“ So sang (oder besser: sprach) Curd Jürgens 1976 in seinem Lied „60 Jahre und kein bisschen weise“.
Viele Menschen wünschen sich ein dickes Fell oder eine dicke Haut: die Möglichkeit also, gegenüber den Problemen und Nöten ihrer Umwelt offen zu sein, aber nicht zu offen. Ein im guten Sinne dickes Fell macht Sie nicht gefühllos, bewahrt Sie aber davor, emotional zu „zerfließen“.
Hier einige Anregungen, wie Sie zu dieser gesunden Einrichtung in Ihrer Persönlichkeitsentwicklung kommen können.
Der freundliche Panzer
Die menschliche Haut ist ein gutes Symbol für die Art von Filter gegenüber der Außenwelt, die Sie brauchen: Sie lässt Luft und ein gewisses Maß an Feuchtigkeit hinein, schützt aber gleichzeitig vor dem Ausfließen der wichtigsten Lebensenergien.
simplify-Tipp: Stellen Sie sich so auch Ihre Seele vor, eingeschlossen von einer schützenden Oberfläche. Ihre Haut sieht gut aus, fühlt sich angenehm an und wirkt auf andere Menschen freundlich. Es ist Ihr gutes Recht, eine dicke Haut zu haben. Niemand kann von Ihnen verlangen, dass Sie jederzeit und in jeder Situation kritiklos offen sind für seine Nöte und Sorgen. Zugleich aber sind Sie nie vollständig abgeschottet, sondern stehen stets „in Bereitschaft“.
Dünnhäutig
Sich wohl fühlen in seiner Haut“ ist ein treffender Ausdruck für umfassende körperlich-seelische Gesundheit. Sie sind „gut in sich drin“. Das Gegenteil ist die „dünne Haut“.Manchmal fühlen sich Menschen völlig ungeschützt angesichts der kleinsten Pannen und irgendwelcher liebloser Bemerkungen ihrer Mitmenschen.
simplify-Tipp: Eine wichtige Schutzfunktion, die auch in Krisenzeiten funktioniert, hat der Humor. Und wenn es nur der berühmte „Galgenhumor“ ist – wenn Sie mal wieder besonders dünnhäutig sind, suchen Sie den Kontakt zu humorvollen Menschen. Sobald Sie auch nur ein winziges Lächeln schaffen, wird Ihre zu dünne Haut schon wieder ein bisschen dicker und Sie fühlen sich in Ihrer Persönlichkeitsentwicklung gestärkt!
Symbole zum Anziehen
Mode und Kleidungsstücke sind mehr als nur praktisch. Sie sind eine wichtige Metapher für Ihr Verhältnis zu der Welt da draußen. In der Pubertät kaufen sich viele Jugendliche ihre erste Lederjacke als Symbol für eine gute Panzerung: Ich bin stark, habe einen Schild, darf auch einmal in Abwehrhaltung gehen. Das ist wichtig, um eine eigene Persönlichkeisentwicklung zu erleben. Tierhaut ist ein animalisches Material, schützend und doch weich, glänzend wie eine Rüstung, die den Feind abweisen und den Freund anziehen will.
simplify-Tipp: Welche Ihrer Kleidungsstücke wirken für Sie wie eine gute Rüstung? Ziehen Sie diese Sachen für schwierige Gespräche und andere knifflige Situationen an. Manche Frauen berichten, dass sie sich in Stiefeln auch mental besser geschützt vorkommen. Bei Männern kann die Business-Uniform (Anzug und Krawatte) eine gute „dicke Haut“ sein, in der sie ernster genommen werden und einen angemessenen Platz in der unausgesprochenen Hierarchie einnehmen.
Schutz vor den Tagesthemen
Nachrichtensendungen sind eine besonders intensive Form, in der Gefühle, Ängste und Bedrohungen auf Sie einstürmen. In einer kunstvollen Mischung aus Bild, Ton und Text durchdringen diese multimedialen Botschaften Ihre normalen seelischen Barrieren.
simplify-Tipp: Sehen Sie sich eine Nachrichtensendung einmal bei abgestelltem Ton an. Dann blicken Sie eine Sendung lang nicht auf den Bildschirm und verfolgen sie nur akustisch. Stellen Sie sich die Situation des Kamerateams vor, wie es aus einer Vielzahl von Ereignissen das herauspickt, was Sie gerade sehen. Sie können nie nachprüfen, ob in einer Kriegsregion 1 oder 1.000 Häuser brennen – es passt immer nur eins auf den Bildschirm. Durchschauen Sie die Mechanismen des Mediums.
Welt und Zeitungswelt
Ähnlich verhält es sich bei Tageszeitungen und aktuellen Zeitschriften. Die Versuchung ist groß, die hier angebotenen Berichte mit der Wirklichkeit zu verwechseln.
simplify-Tipp: Blicken Sie im Geiste auf die Erdkugel: Sie bekommen in den „Welt“-Nachrichten niemals die Welt, sondern nur einige winzige Ausschnitte, nach undurchschaubaren Kriterien ausgewählt. Lesen Sie Berichte über Städte, Länder oder Situationen, die Sie selbst aus erster Hand kennen. Dort merken Sie am schnellsten, wie subjektiv oder sogar von Vorurteilen geprägt die Wahrnehmung eines Journalisten sein kann.
Handeln statt leiden
Wenn Ihnen Leid direkt begegnet, etwa in der Gestalt eines Bettlers, ist es eine gute und natürliche Reaktion, dass Sie Mitgefühl empfinden. Es wäre ungesund, wenn Sie angesichts der Armut eines anderen in Tränen ausbrechen.
simplify-Tipp: Geben Sie einem Bettler Geld, aber sehen Sie ihm dabei in die Augen. Spüren Sie die Verbindung zwischen Ihnen beiden – und was Sie voneinander trennt. Das schult Ihre im guten Sinne dicke Haut: Sie können die Not anderer Menschen empfinden und sind zugleich frei im Handeln. Nächste Übung: Sie geben einem Bettler nichts (in unserem Sozialsystem ist das ohnehin die klügere Variante, so die Wohlfahrtsorganisationen), sehen ihn aber ebenfalls freundlich an. Wieder ein gutes Training für Ihre dicke Haut und Ihre Persönlichkeitsentwicklung: Sie sind frei, Ihr Handeln selbst zu bestimmen!
Autor: Werner Tiki Küstenmacher
Mit freundlicher Genehmigung des Orgenda Verlag. Quelle: simplify-Newsletter und simplify-Homepage.